Martha Gellhorn: Reisen mit mir und ihm, Rowohlt Taschenbuchverlag, Hamburg, 1990. Original: Travels with myself and another,
Eland Books, 1978, aus dem Englischen von Herwart Rosemann
"Reisen mit mir und ihm" ist die Essenz eines unfassbar rastlosen Lebens. In 53 Ländern ist Martha Gellhorn "gewesen". "Gewesen" - das bedeutet für sie, sich lange genug dort aufzuhalten, um etwas von den Sitten und Gebräuchen zu erfahren. Eine gute Definition fürs Reisen. Was andere Menschen für Reisen halten, zu entspannen oder glücklich zu sein, trat für sie eher weniger ein: "Nichts ist besser für die Selbstachtung als das Überleben", ist ihr Fazit aus dem best of der Schreckensreisen.

Die Ausgabe im Rowohlt Taschenbuch Verlag, 1990 unter der Reihe neue frau herausgegeben, kommt ohne Inhaltsverzeichnis aus; aber beim Durchblättern wird klar: Von insgesamt sieben Kapiteln sind fünf Reiseberichte, die anderen beiden Vor- und Abspänne. Und bei weitem am umfangreichsten ist der Bericht über Afrika. Kurze Erzählungen gibt es zunächst über zwei Aufträge als Kriegsreporterin: 1941 mit dem U.B. - dem Unwilligen Begleiter sprich: Noch-Ehemann Ernest Hemingway - in China. 1942 eine Recherche über den U-Boot-Krieg in der Karibik. Dann, erst 20 Jahre später, beginnt die Reise quer durch Afrika. Zwei kurze Berichte über Rußland und Israel beenden das Buch.
Martha Gellhorn gehört zur Lost Generation, den um 1900 geborenen amerikanischen Schriftstellern, die sich radikal absetzen von ihren weißen amerikanischen Vorgängern, die fest verwurzelt waren in ihrer jeweiligen Umgebung - meist ist es Massachussets -, ihren Werten und ihrer Gesellschaftsschicht. Hemingway, mit dem Gellhorn verheiratet war, Fitzgerald, Dos Passos, gingen nach Europa, trafen sich mit den Veteranen des Ersten Weltkriegs in Paris, arbeiteten als Journalisten im Spanischen Bürgerkrieg und später dem Zweiten Weltkrieg und blieben oft ihr Leben lang heimatlos. Glück ist für diese Generation eine Kategorie, die Martha Gellhorn erst auf einer Tour de Force durch Ostafrika widerfindet.
Obwohl sie so viel herumkam, dachte Martha Gellhorn nie daran, über das Reisen zu schreiben. Sie war zu allererst Journalistin, Kriegsreporterin, zutiefst politisch. Erst 16 Jahre nach der Reise durch Afrika erschien der Reiseband, der ihr nach einer langen Durststrecke erstmals wieder Erfolg bescherte. Der erste Teil ist eine von vielen Flugstrecken durchbrochene Reise durch Westafrika. Im zweiten Teil erzählt sie von einem 5000 Kilometer langen road trip vorbei am Viktoriasee bis nach Uganda, von dort nach Tansania (damals Tanganijka) und quer durch die Wildparks am Rift Valley wieder bis Nairobi. Über diesen Teil gab es keine Reisenotizen. Er ist aus der Erinnerung geschrieben und von den politischen Ereignisse dieser Jahre durchsetzt. Das koloniale Afrika wurde unabhängig - zuerst 1957 Ghana, dann 1960 siebzehn weitere afrikanische Staaten meist im Westen des Kontinents. 1962 Uganda, 1963 Kenia.
Der Kolonialismus, die rassistisch legitimierte Macht und die sozialen Konventionen, die daraus erwachsen, sind also immer wieder Thema, gerade wenn Martha auf die Unterstützung der weißen Oberschicht angewiesen ist. Besonders die ersten Tage in Nairobi nehmen die eher scheinheilige, als von Herzen kommende Unterstützung der Weißen in den Fokus. Martha will anders als die anderen Touristen in der Stadt keine durchorganisierte Safari mit weißem Jäger und schwarzen Bediensteten buchen, sondern "einen gebrauchten Landrover kaufen oder mieten, einen Fahrer mitnehmen, der mir einen Teil der Arbeit abnahm und dolmetschen konnte, und allein aufbrechen um Ostafrika zu erforschen." Dieser Plan wird zwar nicht offen sanktioniert, aber was bekommt sie? Einen Fahrer, der zwar zuverlässig ist, was im Jargon bedeutet, dass er sie nicht vergewaltigen und ausrauben wird, aber nicht fahren kann. Und ein Mietauto, das ein in die Jahre gekommener Landrover ist, den sie nur unter Einsatz aller Kraft fahren kann. Er würde seine Frau nicht gerne auf so einer Reise sehen, macht der freundliche Mr. Whitehead dann doch ganz deutlich.
Das bedeutet natürlich nicht, dass Martha Gellhorn selbst im heutigen Sinn politisch korrekt wäre. Immer wieder kommt es zu Ausfällen gegenüber Joshua, ihrem Fahrer, der doch nicht fährt, die eine jähzornige und eigenwillige europäische Frau offenbaren, die sich ohne Erfahrung und Vorkenntnisse auf eine grenzüberschreitende Reise durch die Wildnis begibt und dabei regelmäßig auch Grenzen im menschlichen Miteinander überschreitet. Zu keinem der Menschen, denen sie begegnet, seien sie schwarz oder weiß, findet sie eine Vertrauensbasis. Und doch stimmt ihr Koordinatensystem, das der weißen Bevölkerung Afrikas in der Endphase des Kolonialismus nicht nur ein grundlegendes Verständnis der Menschenrechte, sondern auch den klaren Verstand abspricht:
„Es ist verrückt. Mr. Popper wartete darauf, vergiftet zu werden, Madame Dupré wartete darauf, dass man ihr die Kehle durchschnitt – wenn das allgemeine Unheil nach der Unabhängigkeit sich nicht vermeiden lassen würde, warum gingen sie dann nicht weg?“
Ihre Zweifel, ihre Distanzierung von den sozialen Verhältnissen in Afrika lösen sich nur auf, wenn sie in der Natur ist, Tiere beobachtet. Dann überkommt sie ein Glücksgefühl, das sie singen lassen würde, wenn sie es denn könnte.
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