Catrina Davies: Homesick - why I live in a shed (riverrun, Quercus Editions, London,
2019)
Die housing crisis, der Mangel an Wohnraum, treibt Catrina Davies dazu, eine Hütte an der Küste von Cornwall zu beziehen.
Ihr Buch ist politisch, eine Heilungsgeschichte, in der die Natur nur am Rand vorkommt. Das Geschäft mit dem Tourismus macht nicht nur die Umwelt, sondern auch die Gesellschaft
kaputt.
Kurzbiographie
<< The opposite of slavery is freedom, not idleness. Freedom to work, and work hard, on things that matter to
me. Freedom to be paid badly to do things well. Freedom to refuse to do bad things just because they pay well. >> Seite ???

Ihr Vater, ein Architekt, geht pleite am Schwarzen Mittwoch 1992. Ihre Eltern trennen sich und die Mutter hofft fortan auf eine Sozialwohnung. Die Schwester scheint in wohlhabenden Verhältnissen zu leben, vermietet ihr Haus aber in jedem Sommer für viel Geld an Touristen und zieht mit der ganzen Familie in ein Zelt. Die Maßstäbe in dieser britischen Familie sind verschoben. Es geht nicht um die soziale Unterschicht, arbeitslos gewordene Arbeiter, sondern um Akademiker in freien Berufen nach einer Scheidung, die Cello spielen und surfen. Es gibt keinen Wikipedia-Eintrag von ihr und keine biografischen Einträge auf ihrer Webseite. 2019 (oder als sie das Buch schrieb) war sie 31, in Snowdonia geboren und hatte studiert.
Das Lob der Nature Writers
Catrina lebt in einer shed, Gretel Ehrlichs in einer "log cabin" - das eine ist eine windschiefe Hütte, das andere ein stabiles Blockhaus. Im Vergleich zu Gretel Ehrlichs Buch aus den 1970er Jahren ist ihr Rückzug in die "Wildnis" viel eindeutiger von gesellschaftlichen Bedingungen, um nicht zu sagen, Zerwürfnissen bestimmt. Für Gretel gab eine persönliche Tragödie den Ausschlag. Für Catrina sind es die Krisen in der Ökologie, in der sozialen Gerechtigkeit, in der mentalen Gesundheit. Kurz: die Folgen eines außer Rand und Band geratenen Materialismus. Nicht, dass es solche Krisen nicht schon früher gegeben hätte. Auch Henry David Thoreau, dessen Buch Walden Pond Catrina in Zitaten am Anfang eines jeden Kapitels aufnimmt, zog sich in einer Zeit des wirtschaftlichen Abschwungs, der wachsenden Ungleichheit, der fake news durch neue Medien in den Wald zurück.
Um den traurigen Zustand der Welt zu beschreiben, schreckt sie nicht vor starken Kontrasten zurück: Sklaverei ist das, was der Mietmarkt mit den Menschen macht. Freiheit ist, für die Dinge, die einem wichtig sind, zu arbeiten, hart zu arbeiten, auch wenn das nicht viel Geld bringt.
Die Story geht - im Gegensatz zu Gretel Ehrlichs Geschichte - schon am Anfang schlecht aus. Die Hütte wird ausgeraubt, Catrina verliert alles, was materiell oder immateriell Bedeutung hatte: das seidenbezogenen Kästchen, das sie zum achten Geburtstag von ihrem Vater bekam, genauso wie die monatelange Arbeit an einem Buch.
Doch noch bevor das passiert, ist dem Leser klar, dass Catrina nicht länger zum obdachlosen, schreibenden Proletariat gehört. Zwei Seiten - 13 Zitate - Lobpreisung stehen ihrem Buch voran. Obwohl ihr Bericht aus der Hütte nur ganz selten mit Wildnis zu tun hat, sind zwei der bekanntesten Vertreter der britischen Nature Writing Szene dabei: George Monbiot und Jay Griffiths.
Henry David Thoreau: “Simplicity, simplicity, simplicity!” he went on; “I say, let your affairs be as two or three, and not a hundred or a thousand; instead of a million count half a dozen, and keep your accounts on your thumb nail.”
Teufelskreise
<< Ich zog nach Bristol, weil ich davon träumte, mir ein Leben mit Büchern und Liedern aufzubauen, aber jetzt, da ich dort war, entglitt mir
alles. Ich konnte nicht geradeaus denken in dieser Schuhkammer. Ich sang im Bad bei laufendem Wasser, damit mich meine Mitbewohner nicht hören konnten.
>> Seite 23 - 39
<< I moved to Bristol beause I dreamed of building a life out of books and songs, but, now that I was
there, everything was slipping from my grasp. >> Seite 23 - 39
Die Kapitel tragen ziemlich eindimensionale Titel. Das nächste heißt economy, Wirtschaft, und beginnt mit einer klassischen Litanei:
"Bevor ich die folgenden Seiten schrieb, mietete ich ein Zimmer in einem Haus in Bristol, das ich mit vier weiteren Erwachsenen und einem Kind teilte. Davor wohnte ich, davor wohnte ich, davor
wohnte ich..."
Noch hat die Entfesselung nicht stattgefunden. Catrina leidet glaubhaft wie ein Hund. Ihr Buch hat eine politische Mission, es will die Welt verbessern. Aber es geht nicht um Ökologie, um Natur. Es geht um ein in England offensichtlich allen geläufiges Phänomen - die housing crisis. Im Deutschland sind wir nicht so weit, und deshalb haben wir soweit ich weiß auch kein journalistisches Krisenschlagwort für den freidrehenden Immobilienmarkt - mal abgesehen von dem sperrigen Begriff Gentrifizierung.
Sie will aufhören, in diesem negativen Kreislauf zu denken. Sie will den Blick nach vorne richten und sich ausmalen, was sie will und sich nicht nicht dauernd damit beschäftigen, was sie nicht will oder sich davor fürchten, was passieren könnte.
Es ist die klassische Beschreibung einer mentalen Krise, zu der sie einen radikalen Ausweg findet. Gesundet sie daran?
Die housing crisis ist fast überall Thema in den vielen positiven Besprechungen, die am Anfang des Buches stehen. Nicht die Wildnis. Ich bin gespannt, ob die Problembeschreibung zu einem Glückversprechen wird.
Der Ozean
<< I walked down to the edge of the sea, which was a heaving mass of energy. It reminded me of an animal
breathing. The water slapped up on the rocks, then retreated - in, out, in, out - like the pulsing of a massive heart. Anyone who has spent any length of time in close proximity to the ocean will
understand its magnetism. It beckons you in, seducing you, tempting you to get naked, meaking you yearn for the velvet touch of water on your skin. >> Seite 65 - 75
(?)

Familien sind wie ein intelligenter Schwarm, der die kollektive Vergangenheit speichert.
Ich habe mir im Internet Bilder von Catrina Davies angesehen. Sie hat ein freundliches, fast altmodisches Gesicht mit hohen Wangenknochen. Keine dreadlocks. Je mehr sich die blauen Augen und blonden Locken von der gebräunten Haut abheben, desto besser sieht sie aus.
In der Eingangssequenz zum Kapitel "shelter" sitzt sie an den felsigen Klippen einer verlassenen Bucht. Sie kennt den Ort aus ihrer Kindheit und während die Erinnerungen zurückkommen, überlagern sich die unzähligen Ebenen ihres Selbst, im Englischen Selves.
An manchen Tagen schwemmt das Meer Sand in die Bucht, so dass sie das freundliche Antlitz eines Familienstrandes bekommt, zu dem sich die Touristen einen Pfad suchen. An anderen kehrt sie über Nacht ihr feindliches Antlitz heraus, große Wellen rollen heran, Getier und schleimige Pflanzen werden zwischen den glitschigen Felsen hin- und hergespült, bar jeglichen eigenen Willens. Vor einer Höhle, die sich während der Flut mit Wasser füllt, hockt Catrina. Sie hat Bristol verlassen, ihre Mutter besucht, ein paar Freunde gesehen. Das Meer, dieses gewaltige Energiebündel zieht sie in seinen Sog, während sie so da sitzt. Sie will sich nackt ausziehen, das samtige Wasser auf der Haut spüren. Sie fühlt sich dreckig. Wir bekommen einen Vorgeschmack auf ihre spartanischen Bedürfnisse, denn sie hat sich nicht etwa nur ein paar Tage lang, sondern volle zwei Wochen nicht gewaschen.
Also raus aus dem Norwegerpulli, es ist kalt, als sie ins kalte Wasser eines Felsenbassins taucht. Nur kurz untergetaucht, dann steigt sie schon wieder aus dem eisigen Meer. Der kalte Nordwind fühlt sich jetzt warm auf ihrer nackten Haut an.
Nachts zieht ein Sturm auf, während sie in der wackligen Hütte sitzt. Im flackernden Kerzenlicht ist es unmöglich zu lesen, und sie kann nicht einschlafen. Also bleibt nichts anderes übrig, als dem Wind zuzuhören und draußen am Wasserhahn neues Wasser für die Wärmflasche zu holen. Sie gerät in einen Rausch, in der die Energie der Elemente sie durchströmt, bis sie selbst vibriert und sich wie in einem kleinen Holzboot fühlt, das über einen großen Strom getragen wird. Oder eine Blechdose, die jemand über einen holprigen Pfad kickt.
Collateralschaden
Ich kann nicht in den Aldi gehen, ohne an das Buch zu denken. Aller Wert unserer Lebensmittel, schreibt Catrina, entsteht durch das Plastik, in das sie eingewickelt werden. Ohne die Verpackung wären sie so billig wie die Kartoffeln, die vom Laster fallen, während sie in die Chipsfabrik gefahren werden. Brombeeren kosten im Supermarkt zwei Euro, während sie draußen an den Sträuchern verfaulen.
Im Kapitel "Bread" geht es um eine ganze Reihe von psychischen Erkrankungen. Sie werden nicht als direkter Grund für die Entfesselung genannt, sondern als Einschub erzählt, als sie sich für einen Job in einem Café bewirbt. Sie war magersüchtig, bulimisch, süchtig nach Sport, medikamentenabhängig, oft betrunken. Obwohl das alles schon länger her zu sein scheint, gibt es eine Querverbindung zu ihrer Entscheidung für den totalen Verzicht. Unsere Konsumkultur - glaubt sie - ist das perfekte Ebenbild zur Bulimie. So viel konsumieren wie geht, bis es oben wieder rauskommt. Have a kitkat und sei so schlank wie ein Model.
Gegen Ende taucht Justin in der Hütte auf, bringt kaltes Bier mit und schenkt ihr eine Zementwanne zum Baden. Das Thema Waschen bleibt ein großes. Mal sehen, was aus Justin wird.
Außer Kontrolle
<< Ich habe versucht, mir einzureden, dass es sich nicht lohnt, reinzugehen. Ich beschloss, dass die Wellen nicht zu surfen waren. Sie schlossen sich, anstatt sich zu schälen, und bildeten ein Chaos aus weißem Wasser, durch das zu paddeln Ewigkeiten dauern würde. (...) Ich redete mir ein, dass die Wellen zu groß sein und ich ertrinken würde. Dann redete ich mir ein, dass sie zu klein waren und ich mich langweilen würde. Es nütze alles nichts. Ich war süchtig und das Meer meine Droge.
Ich verstand, dass ich die Wellen liebte - nicht trotz ihrer Launen, sondern gerade weil sie so grausam und unvorhersehbar und gefährlich waren. Das
Meer war der einzige Ort, den ich kannte, wo Menschen nicht die Kontrolle hatten. >> Seite 99 - 119 ?
Wieder ein Kapitel nachts gelesen. Es heißt "Solitude", ist kurz und handelt vom Surfen. Das Surfen ist nicht gerade eine Tätigkeit, die ich mit Wildnis assoziiere. Tatsächlich ist Catrina nur deshalb allein auf dem Meer, weil sie schon um 4.30 Uhr morgens surfen geht. Sie will die Wellen für sich haben. Dann beschreibt sie eine Seite lang den inneren Widerstand, den sie brechen muss, bis sie sich aufs Wasser traut. Das Meer war in der Vergangenheit nicht gut zu ihr. Es hatte sie geschlagen, umgeworfen, ihr die Augenblau gehauen, die Zehen gebrochen und das Knie verdreht, dass sie ins Krankenhaus musste. Ziemlich merkwürdig, dass sie trotzdem reingeht:
Das Meer ist für sie die Essenz der Wildnis, das einzige Element, das sich nicht vom Menschen zähmen lässt.
In diesem Buch, dass sich mehr um die kranke Zivilisation als die wilde Natur dreht, sind die Szenen am Meer der Gegenentwurf. Die Hütte liegt an einer Straßenkreuzung, Mutter und Schwester wohnen so nah, dass sie sie auf einen Sprung besuchen kann, sie arbeitet in einem Café und einem Garten. Alles nicht gerade wild. Es gibt natürlich keinen Strom, kein Bad und nur selbstgebaute Möbel. Der Verzicht auf Konsum ist der Gegenentwurf zum kranken, krank machenden Materialismus. Die positive, die gesundmachende Wildnis ist das Meer, das sie aufnimmt wie ein Mutterschoß. Die kalte und fordernde See war eine Möglichkeit allem zu entfliehen, das eigene Ich eingeschlossen. Die Lektionen des Surfen vermitteln ihr Zen-artige Lebenseinsichten, Selbstvergessenheit und schließlich den Kick des Adrenalins, das durch ihre Adern schießt.
Es scheint mir, dass die Sucht nach Extremsport oft gemischt mit Essstörungen diese junge, moderne Frau fit für die Wildnis gemacht hat.
Catrina und Marcel
<< The fact that I had been able to visit the valley and the garden, bring up all that shame and discomfort,
and not now feel the need to get wasted or make myself throw up - that was new. >> Seite 123 - 137 ??
Sprung zurück: Ich habe entdeckt, dass Catrina Marcel Proust zitiert. Im Kapitel "Architecture" besucht sie einen Ort aus ihrer Kindheit und macht daraus eine Studie in der Phänomenologie von Ort und Erinnerung. Vorweg stellt sie ein Zitat aus der Suche nach der Verlorenen Zeit darüber, dass solche Reisen in die Vergangenheit genauso oft mit Enttäuschung enden wie mit Erfolg. Sie ist eine Intellektuelle, fast alle ihre Erfahrungen in Homesick sind gegliedert und inspiriert durch literarische Zitate. Auch wenn erzähltechnisch oft Justin den Impuls gibt und die Handlung vorantreibt.
Proust selbst sagt, dass Genie nicht durch eigene Intelligenz, den eigenen Geist bedingt ist, sondern allein durch die Kraft, zurückzustrahlen, die eigene Persönlichkeit zu einem Spiegel zu machen, oder den Antrieb, der ein Auto beschleunigt in den Auftrieb umzuwandeln, mit dem ein Flugzeug sich in die Luft erhebt. Große Worte.
Tatsächlich ist das Zeitgemäße, Moderne an Homesick seine Offenheit über die tiefsitzenden Minderwertigkeitskomplexe der Heldin. Sie thematisiert ihre eigene psychische Erkrankung schonungslos, auch wenn sie gesellschaftliche Bedingungen zur Ursache erklärt.
Ihre Wildnis, die Freiheit, die sie sucht, ist die Genesung ihres inneren Zustands. Sie dreht sich so lang im Kreis, als die Freiheit ihres Hüttenlebens zugleich von außen als minderwertig betrachtet wird. Lange Zeit fehlt ihr die Kraft, die sie an Thoreau so bewundert, sich nämlich zu lösen von den Erwartungen der anderen an ein konventionelles Leben, das sie zugleich als krankmachend erkennt. Dieser Widerspruch löst sich nur langsam, doch die Episode in Archtecture ist ein erster Schritt dazu. Eine Spur zu fröhlich lobt die Mutter ihrer reichen Kindheitsfreundin ihre Entscheidung in der Hütte zu leben. Die soziale Ungleichheit der Freundinnen steigt mit den Erinnerungen auf, und mit ihr die Erkenntnis, dass der soziale Status der Eltern auch die Erwartungen der Kinder an das Leben and wirtschaftliche Erfolge zementiert, unabhängig von Leistung.

Stille Verzweiflung
Der Walden Pond führt durch das Buch. Vor jedem Kapitel steht ein Zitat aus Henry David Thoreaus Wildnisbericht aus dem 19. Jahrhundert, der zur Bibel des Nature Writing geworden ist. Das Buch hat für alle, die auf seinen Spuren wandeln, schon einmal den Vorteil, dass es nicht mehr urhebergeschützt ist. Während kein Teil von Homesick reproduziert oder übertragen werden darf, ohne vorher um Erlaubnis zu fragen, steht Walden zur freien Verfügung und Catrina Davies bedient sich großzügig.
In der Wildnis liegt die Bewahrung der Welt, steht ihrem Buch voran.
Die Masse der Menschheit führt ein Leben in stiller Verzweiflung, steht vor dem zweiten Kapitel.
Der Preis einer Sache ist die Summe von dem, was ich Leben nennen werde, das im Austausch dafür erforderlich ist, entweder sofort oder langfristig.
Ein Mensch, der am Ende etwas zu tun gefunden hat, braucht keinen neuen Anzug, um es darin zu tun. (a bissel blöd)
Wenn du Luftsschlösser gebaut hast, muss diese Arbeit nicht umsonst gewesen sein; (...) Jetzt gib ihnen ein Fundament.
Jeder Mensch muss die Himmelsrichtungen jedes Mal, wenn er aufwacht wieder lernen, sei es im Schlaf oder in der Abstraktion.
Wir sprachen von primitiven und einfachen Zeiten, als Männer um große Feuer saßen, in kaltem, anregendem Wetter, mit klaren Köpfen.
Und so weiter, und so fort. Oft haben die Sinnsprüche aus einem früheren Jahrhundert nur peripher etwas von Catrinas Mission zu tun, oft passen sie verblüffend gut auf unsere Zeit, manchmal sind sie zeitlos.
Erst in der Mitte des Buches geht Catrina, die Surferin, Catrina, die Squatterin, Catrina, die Weltenbummlerin ausführlicher auf die Bezüge zu Walden ein. Thoreau, findet sie, sei so selbstsicher, so predigerhaft, so männlich. Er trinke kein Bier, keinen Kaffee, noch nicht einmal Tee, während ihr die Nachbarn kaltes Bier bringen und Wein trotz aller Armut fast jedes Gespräch begleitet. Die Ähnlichkeit ist klar - beide leben in einer Hütte, und gar nicht mal so weit weg von der Zivilisation. Sie bekommen Besuch, sie können einkaufen. Aber ihre eigene Sicht auf ihre Entscheidung ist verschieden. Thoreau ist überzeugt, dass er ein besseres, vorbildliches Leben führt als alle anderen. Er entscheidet sich aus guten Gründen dafür. Catrina glaubt, dass sie keine andere Wahl hat als die Hütte. Ratten und Mäuse verspeiste er gerne, während Catrina sie vergiftet. Sie versteckt sich vor örtlichen Politikern aus Angst zur Räumung gezwungen zu werden. Er war überzeugt, den Wert des Landes zu steigern. Sie schämt sich, er fühlte sich besser als alle anderen. Um ihr Leben zu ihren Bedingungen zu leben, muss sie furchtlos werden, schreibt sie. Für ihn war das keine Frage der Furcht.
Allerdings liegen die Unterschiede ganz woanders. Thoreau suchte tatsächlich ein Leben in und mit der Natur. Er entwickelte daraus eine Philosophie des Betrachtens und der Verbindung zwischen Mensch und Natur.
Catrina Davies schreibt ein politisches Pamphlet für ein bedingungsloses Grundeinkommen und gegen privaten Grundbesitz. Die Freiheit, die sie in der Natur findet, ist die wie sie es nennt "Religion" des Surfens. Ob sie ihre mentale Krankheit durch das Leben in der Hütte überwindet, weil der Druck des Konsums wegfällt, und "pleite sein" nach dem Erfolg ihres ersten Buches keine Rolle mehr spielt, bleibt offen. Aber sie liegt richtig, dass sie für ihr literarisches Debüt, für die Entfaltung ihres Talents und ihrer Berufung, die Freiheit in der Hütte brauchte.
Nachlese
Ich bin für eine Woche in die Landschaft meiner Kindheit zurück gekehrt. Das Wetter ist in den Kitzbüheler Alpen heute schlecht angesagt, aber dann kommt nach dem Regen doch die heiße, stickige Sonne heraus. Überall an den Bachläufen ins Tal wird gearbeitet. Es ist offensichtlich, dass schon der nächste Starkregen weitere Muren nach sich ziehen kann. Die Befestigung mit Schotter und Zement, die in großen Haufen neben den Forststraßen in die Berge aufgetürmt sind, ist ein Kampf gegen die Zeit. Ich überlege, ob im poshen Kitzbühel auch jemand in einer Hütte lebt, der keinen bezahlbaren Wohnraum mehr findet. Es wäre eine tolle Geschichte, um den geldgierigen Gemeinderäten eins auszuwischen, die nach wie vor Genehmigungen für Luxusvillen erteilen, für deren Tiefgaragen halbe Berge abgetragen werden. Die aktuelle Riesenbaustelle oberhalb von Jochberg habe ich schon von der Straße im Tal aus gesehen. Die Nachbarn sind in Stellung, sich die Fällung dreier Bäume bezahlen zu lassen, die den Blick auf das Kaisergebirge versperren.
In den Hügeln zwischen Oberndorf und dem Wilden Kaiser haben wir einen Gasthof entdeckt, dessen Stube so aussieht wie vor 30 Jahren. Von der Terrasse und dem Gastraum des Bichlhofs hat man einen bezaubernden Rundblick vom Tal zu den Felbertauern über das Kitzbüheler Horn bis zum Wilden Kaiser. Die Wirtin hat uns zwar mit einer ziemlich teuren Wurstplatte über den Tisch gezogen, aber im Verhältnis zu anderen Restaurants, die 3,50 Euro für das Gedeck verlangen, war das Essen trotzdem billig. Ihre Landwirtschaft erledigt sie nebenbei; man glaubt ihr sofort, dass sie in 50 Jahren keinen einzigen Tag krank war.
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